Daumier – die Stiftung Kames

Des Victimes de la Révolution

1830, Kreidelithographie, koloriert, 200 x 252 mm (Blattmaß), Delteil 14

Beschriftet: Des Victimes de la Révolution.
Comme c’est amusant la politique. (Opfer der Revolution. Wie unterhaltsam doch die Politik ist!)

Die Herren im Hintergrund lesen politische Nachrichten. Die Damen haben das Nachsehen.

Dieu ai-je aimé cet être là

1831, Kreidelithographie, koloriert, 278 x 361 mm (Blattmaß), Delteil 29

Beschriftet: Dieu ai-je aimé cet être là (Mein Gott, wie habe ich diesen Kerl geliebt!)

Ein Junge bietet am Tuilerien-Garten Büsten der abgedankten Könige an. Eine Palastwache seufzt angesichts dessen. Der Zeitgenosse konnte sich darüber amüsieren, dass die Könige kommen und gehen und damit auch der wenig geliebte regierende, Louis-Philppe I., verschwinden wird, dessen Büste zuvorderst steht.

Dépêche-toi donc dʼarriver! ...

1831, Kreidelithographie, koloriert, 265 x 173 mm (Blattmaß), Delteil 22

Beschriftet: Dépêche-toi donc dʼarriver! ... (Nun komm doch endlich!)

Mayeux, eine Kunstgestalt, die kurz zuvor von Daumiers Kollegen Traviès (1804-1859) kreiert worden war und die für den bürgerlichen Revolutionär steht, wird von einer jungen Dame verführt.

Die Stifter

2011 und 2013 gaben die Sammler Walter und Brigitte Kames zwei umfangreiche Konvolute mit Lithographien von Honoré Daumier an die Museumsstiftung zur Förderung der staatlichen bayerischen Museen, die sie der SGSM zur Verfügung stellte. Damit befindet sich in München die umfangreichste Sammlung seiner Werke in Deutschland. 2012 zeigte die SGSM erstmals eine Auswahl aus diesem Bestand: „Monsieur Daumier, Ihre Serie ist reizvoll!“ Die Stiftung Kames. Zur Ausstellung erschien ein Bestandskatalog im Deutschen Kunstverlag, der im Museum noch erhältlich ist.

Kataloge

Neben den zahlreichen vollständigen Serien zeichnet sich die Stiftung Kames auch durch die frühen Einzelblätter aus. Die frühen Drucke von Daumier sind teils extrem selten und nur in einer Hand voll Museen weltweit nachgewiesen. Jüngst stifteten Brigitte und Walter Kames weitere dieser besonders seltenen Lithographien, womit die Bedeutung des Münchner Bestandes noch weiter ausgebaut wurde.

Weltweit nur in wenigen Exemplaren erhalten

Passe ton chemin, cochon.

1830, Kreidelithographie, 221 x 177 mm (Blattmaß), Delteil 1

Beschriftet: Passe ton chemin, cochon. (Scherʼ Dich zum Teufel, Du Schweinehund!!)

Daumier hatte ab 1825 eine Ausbildung in der noch neuen Drucktechnik der Lithographie absolviert. Am 22. Juli 1830 erschien seine erste künstlerisch eigenständige Lithographie in der Zeitschrift „La Silhouette“ und damit wenige Tage vor Beginn der Julirevolution in Paris.

Die hier gezeigte Szene könnte sehr gut während der Kämpfe des 29. Juli 1830 stattgefunden haben. Mit dem „Schwein“ (cochon) in der Bildunterschrift ist die Kanonenkugel gemeint, welche während der Schlacht fast ein Mitglied der Gardisten trifft.

Lʼépicier qui nʼétait pas bête

1830, Kreidelithographie, koloriert, 346 x 255 mm (Blattmaß), Delteil 7

Beschriftet: Lʼépicier qui nʼétait pas bête leur envoyait de la réglisse qui nʼétait pas sucrée du tout. (Der Krämer, gar nicht dumm, sandte ihnen eine Ladung Lakritze, die überhaupt nicht süß war.)

Die Julirevolution 1830 war ein Volksaufstand gegen die Herrschaft des Bourbonen Königs Karl X., der von den einfachen Pariser Bürgern getragen wurde.

Monseigneur ... Nous mettrons Paris en état de siège

1831, Kreidelithographie, koloriert, 342 x 258 mm (Blattmaß), Delteil 24

Beschriftet: Monseigneur sʼils persistent nous mettrons Paris en état de siège. (Monseigneur, wenn die so weitermachen, versetzen wir Paris in den Belagerungszustand!)

Im Mai und Juni 1831 wurden Protestkundgebungen auf der Place Vendôme von Innenminister Casimir Pierre Perier und Marschall Georges Mouton, Conte de Lobau mit Hilfe von Wasserwerfern niedergeschlagen. Immerhin humaner als die bis dahin üblichen Gewehrkugeln.

Honoré Daumier (1808–1879)

Er war der Beobachter und Karikaturist des Alltagslebens im Paris des 19. Jahrhunderts. In Marseille geboren lebte Daumier von Kindestagen an in der Metropole. Zunächst war er Mitarbeiter der wöchentlich erscheinenden und von der Zensur bald verbotenen Satirezeitschrift La Caricature (1830–1835). Dann arbeitete er jahrzehntelang für den täglich publizierten Le Charivari (1832–1875). Seine Bilder – allein über 4000 Lithographien – geben einen unmittelbaren Einblick in das damalige Tagesgeschehen, in den politischen und bürgerlichen Alltag sowie die unterschiedlichen sozialen Milieus.

La tête branlante, 1834

„Der wackelnde Kopf“ ist dieser Lithographie aus der Zeitschrift „La Caricature“ vom 2. Oktober 1834 betitelt.

Louis-Philippe, der sich als „Bürgerkönig“ stilisierte, ist leicht in dieser Skulptur mit Wackelkopf zu erkennen. Die Skulptur sitzt auf einem Tablett und scheint dem Volksvergnügen zu dienen, den Kopf zu bewerfen. Beschriftet ist sie mit dem Spruch „Ich empfange mit immer neuem Vergnügen“. Daumier und der Herausgeber der Zeitschrift, Charles Philipon, zählten zu Louis-Philippes spöttischsten und erbittertsten Gegnern, solange die Zensur dies zuließ. Louis-Philippe hatte die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht, als er kurz nach Antritt seiner Regentschaft durch Zensur und Terror gegen die Bevölkerung von sich reden machte. Mit seiner Darstellung Versteck zu spielen, war das größte Vergnügen in der Zeitschrift. Philipon hatte aus der Silhouette des Kopfes des Königs eine Birne stilisiert, die zum Synonym des Königs wurde und die man hier neben der Skulptur als unterstreichenden Hinweis auf den Dargestellten findet.

… Vous avez la parole, expliquez-vous, 1835

„…Sie haben das Wort, Sie sind frei sich zu äußern!“ Die Karikatur erschien am 14. Mai 1834 in der Zeitschrift La Caricature.

Im April war es in Paris zu Aufständen gegen König Louis-Philippe I. gekommen, während derer das Militär in der Rue Transnonain ein Massaker an der Zivilbevölkerung anrichtete. Daumiers berühmteste Lithographie mit der Darstellung eines ermordeten Bürgers und seines Kindes im Schlafzimmer machte diese Tat unvergesslich (Delteil 135, in der SGSM vorhanden). Die Prozesse gegen die Aufständischen wurden zur politischen Farce und regten Daumier zu seiner Karikatur gegen politische Willkürjustiz an, die seither leider immer wieder Aktualität gewann.

Es wurde zwar 1834 niemand zum Tode verurteilt, wie man im Hintergrund des Bildes vermuten könnte, aber der Richter, der eher an einen Schlachter erinnert, und seine Gehilfen zeigen die rücksichtslose Brutalität der Justiz unverblümt. Die zunehmend verschärfte Zensur ließ dergleichen Darstellung nicht mehr lange zu. 1835 musste der Verleger Charles Philipon die Zeitschrift La Caricature einstellen.

Quelle sale représentation, mon Dieu!, 1835

„Mein Gott, was für eine schmutzige Gesellschaft!“ Ein Schweinehirte füttert seine Herde – könnte man denken. Doch bei genauerer Betrachtung verteilt er Orden und die Schweine sind sehr menschliche ausstaffiert. Unschwer ist der König zu erkennen, der seine Minister auszeichnet, wobei „représentation nationale“ die Volksvertretung bezeichnet, so dass bereits im Titel auf die Vertreter des Königs, die Regierung, angespielt wird. Es ist erstaunlich, dass dieses so eindeutige Blatt noch am 18. Juni 1835 in La Caricature erscheinen konnte – kurz bevor die Zeitschrift im August wegen der immer schärferen Zensur eingestellt werden musste.

Très hauts et très puissans moutards

1834, Kreidelithographie, 478 x 300 mm (Darstellung),  Delteil 132

Beschriftung: TRÈS HAUTS ET TRÈS PUISSANS MOUTARDS ET MOUTARDES LÉGITIMES. Peuples, battez vous, déchirez vous, égorgez vous, pour ces Augustes personnages, vous leur appartenez imbécilles. (HOCHWOHLGEBORENE, MÄCHTIGE UND LEGITIME KLEINE BENGEL. Völker, kämpft und opfert Euch für diese kaiserlichen Majestäten, Ihr gehört ihnen, Dummköpfe.)

Daumier und der Herausgeber der Zeitschrift „La Caricature“, Charles Philipon, machen sich hier über die Nachkommen der gekrönten Häupter lustig, wobei diskutiert wird, ob sich dies allein gegen das französische Herrscherhaus der Bourbonen oder gegen die europäischen Monarchien insgesamt wendet.

Arrivée à Pékin

1860, Kreidelithographie, 266 x 336 mm (Blattmaß), Delteil 3115

Beschriftet: Arrivée à Pékin, des ambassadeurs Américains. (Ankunft des amerikanischen Botschafters in Peking.)

West-Ost-Konflikt im 19. Jahrhundert: Die Lithographie, Teil der Serie „In China“, erschien zuerst 1859 in „Le Charivari“, als Frankreich und England gerade Krieg gegen China führten, um Handelsverträge durchzusetzen.

Comme Sisyphe

1869, Kreidelithographie, 290 x 245 mm (Blattmaß), Delteil 3694

Beschriftet: Comme Sisyphe. (Wie Sisyphos.)

Der legendäre König von Korinth, Sisyphos, war dazu verdammt, in alle Ewigkeit einen Felsbrocken auf einen Berg zu rollen, der kurz vor Erreichen des Gipfels wieder herunterrollte. Hier versucht die Personifikation des Jahres 1869 den Staatshaushalt zu stemmen, der von Militärausgaben im Vorfeld des preußisch-französischen Kriegs von 1870/71 aufgebläht war.

Selten aber sichtbar

Anhand der Nummern des Werkverzeichnisses von Henri Loÿs Delteil sind die Lithographien jeweils eindeutig zu identifizieren. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Website des Daumier Registers.

Sie können sich die Lithographien im Studiensaal auch im Original vorlegen lassen.

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