HERMANN GLÖCKNER – EIN MEISTER DER MODERNE

24.10.2019 – 19.01.2020

Zweifellos zählt Hermann Glöckner (1889 Dresden–1987 Westberlin) heute zu den Ausnahmekünstlern unter den Avantgardisten der deutschen klassischen Moderne. Trotz widriger politischer Umstände in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und des darauf folgenden DDR-Regimes in Ostdeutschland hat er als ‚Nonkonformer‘ in Dresden über Jahrzehnte hinweg in Abgeschiedenheit kontinuierlich ein herausragendes künstlerisches Werk geschaffen, das es noch immer zu entdecken gilt.

Without doubt, Hermann Glöckner (1889 Dresden – 1987 West Berlin) is, today, to be considered one of the most exceptional artists among the avant-gardists of German Classic Modernism. Despite adverse political circumstances under the National Socialist dictatorship and the GDR regime that followed it in East Germany, he worked continuously in isolation in Dresden over the decades as a “noncomformist” and created an outstanding artistic oeuvre that still awaits discovery.

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Lange Zeit

faszinierten Glöckners Arbeiten zuvorderst Künstler. Hermann Glöckner eilt bis heute der noble Ruf eines ‚Artist’s Artist‘ voraus. Zugleich stand er von der Kunstgeschichte nahezu unbeachtet im Schatten der etablierten Meister der klassischen Moderne. Erst in den letzten Jahren wurde sein singulärer künstlerischer Beitrag über Grenzen hinweg in größere kunsthistorische Zusammenhänge gestellt und als Neuentdeckung auch einem internationalen Publikum vorgestellt.

Selbstbildnis mit Pfeife, 1923/24, Aquarell, 475 × 325 mm, Erworben durch die Vereinigung der Freunde der Staatlichen Graphischen Sammlung München © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

For a long time

Glöckner’s works fascinated artists, first and foremost. Even today, Hermann Glöckner is preceded by his distinctive reputation as an “artists’s artist.” At the same time, he stood in the shadows of the established masters of Classic Modernism, almost unnoticed in art history. Only in the past few years has his singular artistic contribution been placed within broader intellectual and artistical contexts and also presented to an international public as a new discovery.

Die Ausstellung

In der Münchner Ausstellung "Hermann Glöckner – Ein Meister der Moderne" begegnen sich in einer Zusammenschau Beispiele seines frühen "Tafelwerks" aus der Zeit von 1930 bis 1935 und eine Gruppe seiner "Modelli" der 1960er- und 1970er-Jahre, die als Entwürfe zu geplanten großformatigen skulpturalen Faltungen verstanden werden können. Erstmals werden diese zentralen Werkgruppen seines abstrakt-konstruktiven Œuvres einer konzentrierten kunsthistorischen Betrachtung unterzogen. Beide muss man als fortlaufende künstlerisch-konzeptuelle Studien verstehen, die für Hermann Glöckner eine Inspirationsquelle von großer Bedeutung waren und zugleich ein Schlüssel zum Verständnis seiner gesamten Arbeit sind.

The exhibition

In the Munich exhibition “Hermann Glöckner—A Master of Modernism,” examples of his early “Tafelwerk” (Panel Work) from the period between 1930 and 1935 are presented together with a group of his “Modelli” (Models) of the 1960s and 1970s, which can be understood as drafts for the large-format, sculptural folded works he conceived. For the first time, these central groups of his abstract-constructivist oeuvre have become the subject of a focused art historical examination. Both must be understood as continuing artistic and conceptual studies that were a source of inspiration of great importance to Hermann Glöckner and at the same time are keys to understanding his entire oeuvre.

Rot über Schwarz und Blau, um 1932, Doppelseitige Tafel, Seite A, Collage, farbiges Papier, Pappkörper, 498 x 350 mm, Erworben mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung München und SKH Herzog Franz von Bayern © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Against this backdrop

the selection of the early panels concentrates on the years 1930 to 1935. That is precisely the period in which Glöckner began to record the vocabulary of his creative ideas in a group of studies that will be later called his “Tafelwerk.” Its genesis had been proceeded by a crisis the artist went through, after which he found a completely new approach. Like a vocabulary, Hermann Glöckner inscribed his newly acquired artistic insights and creative ideas in the panels. After 1945 he continued this “Tafelwerk” at even greater intervals and in several creative phases, varying and expanding the themes. Glöckner regarded the panels as a genre of their own. Despite this formal-constructive rigor, their reworking articulates a playful, intuitive legerity. This supposed artistic and conceptual dissonance is constitutive of Glöckner’s entire oeuvre without which this variance in the design of the works would be inconceivable. This becomes evident from a dazzling group of exhibited drawings, monotypes, and collages by Hermann Glöckner that have been acquired gradually over the past three years by the Staatliche Graphische Sammlung München and that exemplarily cover his entire creative career from the 1920s to the 1980s.

Vor diesem Hintergrund

konzentriert sich die Auswahl der frühen Tafeln auf die Jahre 1930 bis 1935. Es ist genau jener Zeitraum, in dem Glöckner beginnt, das Vokabular seiner Ideen in einem später als "Tafelwerk" bezeichneten Studienwerk festzuhalten. Dessen Genese vorausgegangen war eine Krise des Künstlers, nach der er einen völlig neuen Ansatz fand. Das "Tafelwerk" wird er dann in zeitlich größeren Abständen und in mehreren Schaffensphasen fortführen, in den Themen variieren und erweitern. Glöckner hat die Tafeln als eigene Gattung verstanden. Trotz der formal-konstruktiven Strenge spricht aus ihrer Bearbeitung eine spielerisch-intuitive Leichtigkeit. Diese vermeintlich künstlerisch-konzeptuelle Dissonanz ist konstitutiv für Glöckners Gesamtwerk, ohne die diese gestalterische Varianz von Werken undenkbar wäre. Anschaulich wird das an einer fulminanten Gruppe ausgestellter Zeichnungen, Monotypien und Collagen Hermann Glöckners, die sukzessive in den zurückliegenden drei Jahren von der Staatlichen Graphischen Sammlung München erworben wurden und die seine gesamte Schaffenszeit von den 1920er- bis zu den 1980er-Jahren exemplarisch abdecken.

Sechs fallende Blätter, 1935, Doppelseitige Tafel, Seite A, Assemblage mit Laub, Tempera, Papier, Pappkörper, 477 x 322 x 1 mm, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Der zweite Teil

der Ausstellung widmet sich Hermann Glöckners "Modelli" der 1960er- und 1970er-Jahre. Sie sind der Ausgangspunkt seiner räumlich-plastischen Faltungen aus Papier, Pappe und Pappkarton. Sie wären ohne die konstruktiv-künstlerischen Recherchen des frühen "Tafelwerks" kaum denkbar. Zugleich bilden sie wie die Tafeln eine Art Vokabular und entstehen im Kontext anderer raum-plastischer Objekte. Mit der ihm eigenen spielerischen Konsequenz setzt Hermann Glöckner seine "Tafelwerk"-Recherchen in den "Modelli" plastisch fort. Der zeitliche Abstand beider Werkgruppen ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass der Künstler in der Zwischenzeit kräftezehrende praktische Bauaufgaben übernehmen musste, um seine Existenz finanziell zu sichern.

In ihrer materiellen Einfachheit strahlen die "Modelli" bis heute die künstlerische Unbefangenheit von Ideenskizzen aus, in denen sich unkonventionelle künstlerische Experimente frei erproben lassen und im Kleinen das Große vorstellbar wird. In seinem Atelier, das sich im Wesentlichen auf einen großen Raum im Künstlerhaus Dresden-Loschwitz beschränkte, waren sie auf den Arbeitstischen allgegenwärtig, und Hermann Glöckner tauchte förmlich in diese Ideenwelt ein..

The second part

of the exhibition, which features Hermann Glöckner’s “Modelli” of the 1960s and 1970s, looks at the point of departure for his spatial, plastic folding of paper, pasteboard, and cardboard. They are scarcely conceivable without the constructive and artistic research of the early “Tafelwerk.” At the same time, like the panels, they form a kind of vocabulary and are created within the context of other spatial, plastic objects. With his characteristic playful rigor, Hermann Glöckner continued his early “Tafelwerk” research in the “Modelli,” albeit now in sculptural form. The temporal distance between the two groups of works is not very surprising if one considers that, in the meanwhile, the artist had had to take on practical building projects that drained his energy, in order to secure his financial existence.

In their material simplicity, the “Modelli” still radiate the lack of artistic constraints in their characteristic sketching of ideas, in which unconventional artistic experiments can be freely explored and greatness imagined in small. In his studio, which was in essence limited to a large room in the Künstlerhaus Dresden-Loschwitz, they were omnipresent on the tables, and Glöckner truly plunged into this world of ideas.

27.11.2019 Studientag: Hermann Glöckner – ein Missing Link der Moderne?

Eine Kooperationsveranstaltung der Staatlichen Graphischen Sammlung München und des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München.

14.00 - 15.30 Uhr Ausstellung Hermann Glöckner – Ein Meister der Moderne
Pinakothek der Moderne, Rundgang durch die Ausstellung 
 
16.00 - 17.30 Uhr Einführung zu Hermann Glöckner
Zentralinstitut für Kunstgeschichte 
Katharina-von-Bora-Strasse, Raum 242
Michael Hering: Monochrome Tafeln
Konstanze Rudert: Glöckner im Kontext der Moderne
Franziska Stöhr: Die Faltungen in Hermann Glöckners Werk

Pause

Rechtwinklige Durchdringung: Zeichen F auf Schwarz, um 1932, Doppelseitige Tafel, Seite A, Geburtstagstafel für Frieda Glöckner, Tempera, Papier, Pappe, gelackt, 500 x 350 mm © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

18.00 - 19.15 Uhr Podium: Hermann Glöckner – ein Missing Link der Moderne?
Zentralinstitut für Kunstgeschichte 
Katharina-von-Bora-Strasse, Raum 242
Das Podium widmet sich der Frage, ob Hermann Glöckner ein Missing Link in der Klassischen Moderne darstellt, welche Bedeutung er zunehmend für zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler hat und aus welchem Mangel heraus sich der plötzliche Bedeutungszuwachs seines Werks ergibt.

Führungen

Kuratorenführungen

Um 18.00 Uhr
Do 24.10. mit Michael Hering

Jeweils 18.30 Uhr
Do 07.11. mit Michael Hering
Do 14.11 mit Franziska Stöhr
Do 16.01.2020 mit Michael Hering

Begrenzte Anzahl an Teilnahmeplätzen | Ausgabe von Teilnahmemarken ab 30 Minuten vor Beginn an der Information, solange freie Plätze vorhanden sind.

Ort: Pinakothek der Moderne

Besuch der Ausstellung

Öffentliche Führungen

Ort Pinakothek der Moderne

Hinweise entnehmen Sie bitte dem tagesaktuellen Programm der Pinakothek der Moderne.

Programm Pinakothek der Moderne

Private Führungen

Ort Pinakothek der Moderne

Gerne vermitteln wir Ihnen einen Guide für Ihre private Führung. Informationen erhalten Sie auf der Website der Pinakothek der Moderne oder unter Tel. +49 (0) 89 238 05 - 284.

Zur Kunstvermittlung

Katalog zur Ausstellung

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter, limitierter Katalog (319 Seiten, 155 Abbildungen), herausgegeben von Michael Hering mit generöser Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung. Die Auflage beträgt 500 numerierte Exemplare nebst 50 weiteren Hors de commerce. Mit Beiträgen von Michael Hering, Konstanze Rudert, Nina Schleif, Franziska Schmidt, Claudia Schnitzer, Franziska Stöhr & Ivana Thomaschke.

Mit Beginn der Ausstellung bis zum 31.Dezember 2019 beträgt
der Subskriptions-Preis €190.
Ab dem 01.Januar 2020 kann der Katalog zum 
regulären Preis von €240 erworben werden.

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