Aus der Serie / from the series "Just Watercolors" (134) (Rubens und Isabella Brant in der Geissblattlaube), 2023, Wasserfarbe / Watercolor, 1870 x 1360 mm, (nach/after Peter Paul Rubens, Alte Pinakothek, München), Photo: Sebastian Schobbert, © Slawomir Elsner

CASE STUDIES ON RUBENS BY SLAWOMIR ELSNER
CAREERS BY DESIGN.
HENDRICK GOLTZIUS & PETER PAUL RUBENS


13. JUNI BIS 15. SEPTEMBER 2024
Hendrick Goltzius (1588–1617), Phaeton (aus der Folge "Die vier Himmelsstürmer" / from the series "The Four Disgracers"), 1588, Kupferstich / Engraving, Durchmesser / Diameter: 331 mm, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München

CAREERS BY DESIGN.

HENDRICK GOLTZIUS & PETER PAUL RUBENS

13. JUNI BIS 15. SEPTEMBER 2024

Die Sehnsucht nach Ruhm und Ehre spornt bis heute den Erfindungsgeist gefeierter Künstler an. Im aufblühenden Barock um 1600 mit seinen um Renommee wetteifernden europäischen Höfen und einem vermehrt nach Prestige strebenden finanzkräftigen Bürgertum empfahl sich die Strategie, über lokale Grenzen hinweg ferne Kunstmärkte und neue Käuferschichten zu erreichen, um das eigene Werk gewinnbringend bekannt zu machen. Sperrige Skulpturen und fragile Gemälde waren für diese vielfältigen Transaktionen wenig geeignet. Vielmehr sollte die Druckgraphik zum perfekten Gesandten im kunstdiplomatischen Dienst der eigenen Sache werden. Mit graphisch hinreißenden Kupferstichen versuchten die Künstler, das Publikum zu betören und es auf dem Laufenden über die eigenen Neuschöpfungen zu halten. Die in dieser Hinsicht erfolgreichsten Virtuosen um 1600 waren Hendrick Goltzius (1558–1617) und Peter Paul Rubens (1577–1640).

Exemplarisch wird aus dem reichen, erst jüngst wissenschaftlich vollständig bearbeiteten Münchner Bestand eine prononcierte Auswahl von 130 Drucken unter thematischen Schwerpunkten wie dem Vorbild Antike oder der Rolle von Widmungen präsentiert, um die jeweiligen innovativen künstlerischen Strategien, die die Karrieren von Goltzius und Rubens beflügelten, sichtbar zu machen.

To this day, the desire for fame and honor inspires the imaginative powers of celebrated artists. In the blossoming baroque era around 1600 with European courts competing for prestige and wealthy burgers striving for status, it was a smart strategy for artists who wanted to make their works known and to sell them profitably, to reach out beyond local borders and to conquer far-away markets and buying audiences. Bulky sculptures and fragile paintings were little suited to such transactions. Instead, it was prints – engravings, etchings and woodcuts – that advanced to becoming perfect ambassadors on behalf of artists who endeavored to charm their audiences with graphic masterstrokes while updating them about their latest creations. Around 1600, the most successful masters in this regard were Hendrick Goltzius (1558–1617) and Peter Paul Rubens (1577–1640).

This exhibition presents a distinctive selection of 130 prints from the rich Munich holdings that have only recently been made accessible to the public and scholars. The thematic presentation, addressing aspects such as the role of dedications or antiquity as a model, makes visible the respective innovative artistic strategies that spurred on the careers of Goltzius and Rubens.  

Jacob de Wit (1695–1754) und Jan Punt (1711–1779) nach/after Peter Paul Rubens (1577–1640), Engelsturz / Fall of the rebel angels, 1750, Kupferstich und Radierung / Engraving and etching, 324 x 373 mm, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Paulus Pontius I (Stecher, Verleger/Engraver, publisher), nach/after Rubens, Selbstbildnis des / Self-Portrait of Peter Paul Rubens, 1630, Umdruck/Counterproof, Kupferstich/Engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Goltzius (Inventor), Jacob Matham (Stecher, Verleger/Engraver, publisher), Bildnis des / Portrait of Hendrick Goltzius, 1617, Kupferstich/Engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Rubens (Inventor), Schelte à Bolswert (Stecher, Verleger/Engraver, publisher), Der wunderbare Fischzug / The Miraculous Draught, ca. 1635, Kupferstich/Engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Schelte à Bolswert (Stecher/Engraver), nach/after Rubens, Gilles Hendricx (Verleger/Publisher), Diana kehrt von der Jagd zurück / Diana Returning From the Hunt, ca. 1638, Kupferstich/Engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Goltzius (Zeichner, Stecher/Draftsman, engraver), nach Raffael/after Raphael, Claes Jansz. Visscher (Verleger/Publisher), Triumph der Galatea / The Triumph of Galatea, 1592, Kupferstich/Engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München
Goltzius (Stecher, Radierer/Engraver, etcher), nach Tizian/after Titian, Jacob Matham (Verleger/Publisher), Anbetung der Hirten / The Adoration of the Shepherds, 1599/ 1615, Radierung, Kupferstich/Etching, engraving, Photo: Staatliche Graphische Sammlung München

CASE STUDIES ON RUBENS BY    SLAWOMIR ELSNER

13. JUNI BIS 15. SEPTEMBER 2024

Zweifellos faszinieren die kühnen Bildwelten von Peter Paul Rubens (1577–1640) bis heute und einzelne von ihnen haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Kein zweites seiner Porträts führt uns dies so eindringlich vor Augen wie die um 1609/10 entstandene und sehr privat anmutende Geißblattlaube, in der sich Isabella Brant und Peter Paul Rubens als einander zugewandtes Hochzeitpaar zu erkennen geben – eine selbstbewusste und demonstrative Behauptung einer idealen bürgerlichen Verbindung zwischen ebenbürtigen Partnern in einer vorbürgerlichen Gesellschaft.

Der Zeichner Slawomir Elsner (*1976) richtet seinen forschenden Blick auf dieses Meisterwerk des flämischen Barocks, einen wahren Publikumsliebling der Alten Pinakothek, um es in der Pinakothek der Moderne in seinem Projekt Case Studies on Rubens künstlerisch zu befragen. In einer Suite von 17 graphischen Paraphrasen – jeweils in der beeindruckenden Größe des Gemäldes von 178 × 136,5 Zentimetern – wirft er, einer empirischen Fallstudie gleich, die Frage nach der Relevanz und der Bedeutung des Originals auf. In seinen zeichnerisch-analytischen Recherchen geht er so weit, das Motiv vor unseren Augen als Erinnerung zwischen Bild und Abbild immer wieder neu und anders zu evozieren und unser Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen an Rubens’ Gemälde herauszufordern.

Scheinbar spielerisch zitiert er auf einzelnen Blättern historische Reproduktionstechniken und erschafft das Gemälde, die Qualitäten der jeweiligen Technik suggerierend, jedes Mal überraschend neu. Künstlerisch interessiert ihn das historische Bemühen, einzigartige Meisterwerke durch adäquate Formen der Reproduktion im Bildgedächtnis zu halten, immer in dem Bewusstsein, sich dem Original nur abstrahierend annähern zu können. Mit jeder Neuschöpfung stellt sich die Frage, was jenseits der Erinnerung an das Original der ästhetische Mehrwert der jeweiligen Paraphrase sein kann, welches neue sinnliche Erlebnis sich einstellt und ob Sehen und Erinnern nicht auch eine geistige Auseinandersetzung sind, bei der das Phänomen der Abstraktion in der Natur der Sache liegt.

Schlussendlich laufen seine virtuos formulierten künstlerischen „Fallstudien“ darauf hinaus, uns im Zeitalter einer nie da gewesenen Bilderflut die Frage zu stellen, welche Kunstwerke in unserem persönlichen Bilderschatz bewahrt werden und auf unser Verständnis der Welt einwirken. Auf welche Weise und weshalb spricht uns ein historisches Bild vom Rang der Geißblattlaube an, was memorieren wir nach einem Besuch im Museum und welches Eigenleben führt das Bild in unserer Erinnerung? Jetzt schon lässt sich sagen, dass Slawomir Elsners Case Studies on Rubens ein analoges Bildabenteuer und Sehvergnügen herausfordern und gleichermaßen zu einem Museumsbesuch in der Pinakothek der Moderne wie in der Alten Pinakothek einladen.

Detail: Rubens und Isabella Brant in der Geissblattlaube, 2024, Buntstift / Coloured pencil, 1780 x 1365 mm, (nach/after Peter Paul Rubens, Alte Pinakothek, München), Photo: Sebastian Schobbert, © Slawomir Elsner
Aus der Serie / from the series "Just Watercolors" (134) (Rubens und Isabella Brant in der Geissblattlaube), 2023, Wasserfarbe / Watercolor, 1870 x 1360 mm, (nach/after Peter Paul Rubens, Alte Pinakothek, München), Photo: Sebastian Schobbert, © Slawomir Elsner

The daring images of Peter Paul Rubens (1577–1640) continue to intrigue us to this day and some of them have lost none of their topicality. No other portrait better testifies to that than the Honeysuckle Bower, which was painted around 1609/10 and has a rather intimate air. Here Isabella Brant and Peter Paul Rubens present themselves as a bridal pair with a self-assured and demonstrative claim to an ideal patrician alliance between equal partners in early modern times.

Draftsman Slawomir Elsner (*1976) turns his investigative gaze at this masterpiece of Flemish baroque art, a true crowd pleaser at the Alte Pinakothek and explores it in his project Case Studies on Rubens at the Pinakothek der Moderne. With his suite of 17 graphic paraphrases—each the impressive size of the original, 178 x 136.5 cm—and as though this were an empirical case study, he poses the question as to the relevance and meaning of the original. In his analytic and probing drawings, he undertakes to evoke this motif over and again before our very eyes as well as to challenge our perception and remembrance of Rubens’s painting.

Seemingly playfully, Elsner evokes historical reproductive techniques and, by emulating the qualities of the respective technique, he re-creates the work in surprisingly many ways. As an artist, Elsner is interested in the historical endeavor of keeping outstanding artworks in our memory by means of adequate forms of reproduction but he is always aware that this can only ever be an exercise in abstraction. With each new creation he asks what, beyond the memory of the original, is the additional aesthetic gain of that paraphrase? What is the new sensory experience? In addition, are not seeing and remembering actually a mental form of processing for which abstraction is a prerequisite?

Ultimately, his virtuoso “case studies” in art aim at posing to us the question in our age overflowing with images: What are the artworks we preserve in our personal visual library and how do they determine our grasp on the world? In what manner and why does a picture of the rank of the Honeysuckle Bower touch us, what do we remember after our museum visit? Moreover, what kind of life does this picture continue to lead in our memory? We predict that Slawomir Elsner’s Case Studies on Rubens will provide visitors with the adventure and pleasure of analog viewing and with an opportunity to visit both the Pinakothek der Moderne and the Alte Pinakothek.

Rubens und Isabella Brant in der Geissblattlaube, 2023, Wasserfarbe und Buntstift / Watercolor and coloured pencil, 1870 x 1365 mm (nach/after Peter Paul Rubens, Alte Pinakothek, München), Photo: Sebastian Schobbert © Slawomir Elsner
Rubens und Isabella Brant in der Geissblattlaube, 2024, Buntstift / Coloured pencil, 1780 x 1365 mm (nach/after Peter Paul Rubens, Alte Pinakothek, München), Photo: Sebastian Schobbert © Slawomir Elsner
Vorstudie, Aus der Serie "A 4" / from the "A 4" series, 297 x 210 mm, Blatt/sheet 316, 2024, Wasserfarbe und Bleistift / Watercolor and pencil © Slawomir Elsner
Vorstudie, Aus der Serie "A 4" / from the "A 4" series, Blatt/sheet 301, 297 x 210 mm, 2023, Wasserfarbe / Watercolor © Slawomir Elsner