
Paul Cézanne
Steilhang mit Pinie
(Felsen von Bibémus)
Cézannes Kunst bestand im genauen und ständig erneutem Beobachten. Den Felsbruch von Bibémus, unweit seines Wohnortes in der Provence, suchte er immer wieder auf, um die Farbe und Struktur in der Mischung aus Felswand und Vegetation zu studieren. Mit den ebenso suchenden wie findenden Pinselstrichen zeigt dieses Aquarell Cézannes neuen Blick auf die Natur auf meisterhafte Weise. Die Auslassungen, die leeren Stellen erweisen sich dabei als ebenso wichtig wie die Malerei selbst. Für die nachfolgenden Künstlergenerationen wie zum Beispiel die Kubisten waren Bilder wie dieses eine entscheidende Anregung.
Unbekannt Deutschland Oberdeutsch; Altdorfer Umkreis?
Einen Ort genau zu beobachten und damit das „Portrait“ einer Gegend oder Ortschaft zu schaffen, war bis ins ausgehende 15. Jahrhundert nicht üblich. Ein unbekannter süddeutscher Künstler, den man im Umkreis des Regensburger Malers Albrecht Altdorfer vermutet, zeigt hier die Ortschaft Hallein in der Nähe von Salzburg mit den typischen buckelartigen Hügeln der dortigen Voralpenlandschaft. Weder der Ort, noch die Gegend waren bis dahin als bildwürdig angesehen worden. Die satten Farben des Bildes vermitteln aber auch noch den Eindruck, als habe der Künstler die Landschaft in einer konkreten Witterungsstimmung – etwa nach einem sommerlichen Regenguss – wiedergegeben.


El Greco
Variation über Michelangelos „Giorno“
Der junge Künstler Dominikos Theotokópoulos aus Griechenland, genannt „der Grieche“, setzt sich in diesem Meisterstück mit der Skulptur des „Tages“ von Michelangelos Medici-Gräbern in Florenz auseinander. Doch er interpretiert die Skulptur eines liegenden Mannes dabei auf eine völlig neue Art und Weise, indem er auf die Darstellung des Liegens ganz verzichtet. Giorgio Vasari besaß diese Zeichnung und nahm sie in seine Sammlung auf, die er parallel zu seinem Buch „Le Vite de’ più eccellenti pittori scultori ed architettori“ anlegte, der ersten Kunstgeschichte Europas. Hierfür fasste er die Zeichnung des jungen Kollegen mit einer Rahmung und einer blauen Schattierung ein. Von El Greco, der kurz nach dem Entstehen dieses Blattes nach Spanien weiterwanderte, sind heute nur wenige Zeichnungen erhalten.
Vincent van Gogh
Weizenfeld mit aufgehender Sonne
Van Gogh, der heute als scheinbar impulsiver Maler berühmt ist, schätzte wie nur wenige andere Künstler alle Möglichkeiten der Zeichnung: erste Ideen zu visualisieren, über die Kompositionen von Gemälde während der Arbeit nachzudenken oder sogar ein Gemälde noch einmal in graphische Strukturen zurück zu übersetzen. Wenn es ihm möglich war, verwendete er für Zeichnungen, die ihm wichtig waren, besonders edle Papiere. Dies ist hier der Fall, als er das gleichnamige Gemälde wiederholte, das er während seines Aufenthalts in der Nervenheilanstalt in Saint-Rémy vom Fenster seines Zimmers aus gemalt hatte. Mit Kreide und Feder vollzog er die Strukturen der Pinselstriche seines Gemäldes, mit denen er das vibrierende Licht der aufgehenden Sonne darstellte. Große Retrospektiven seiner Zeichnungen in jüngerer Zeit zeigten, dass das Münchner Blatt eines der am besten erhaltenen weltweit ist.


Peter Paul Rubens
Studie für das Reiterbildnis des Herzogs von Lerma
Rubens vermochte es wie kaum ein anderer, seine komplexen Bildkompositionen in schwungvollen kleinen Ölbildern zu skizzieren. Auf die Zeichnung legte er daher überwiegend keinen so großen Wert. Als er sich 1603 das erste Mal in Spanien aufhielt, bekam er den Auftrag Herzog Lerma, nach König Philipp III. der mächtigste Mann im Land, zu portraitieren. Er stellte ihn als Reiter dar, wie es bis dahin nur gekrönten Häuptern vorbehalten war.
In der sorgfältig ausgearbeiteten Zeichnung sind zahlreiche Spuren der Arbeit an den Details des Gemäldes zu beobachten. Am deutlichsten wird dies bei dem Papierstreifen am oberen Rand, den der Künstler ansetzte, um die Proportionen des Bildes der mächtigen Figur anzupassen. Insgesamt gibt die Zeichnung jedoch einen perfekten Eindruck des Gemäldes, das sich heute im Prado in Madrid befindet. Sie diente sicherlich dazu, dem Auftraggeber einen ersten Eindruck von diesem künstlerisch wie politisch wichtigen Auftrag zu vermitteln.
Die Zeichnung kam als Vermächtnis des deutsch-englischen Kunsthistorikers Edmund Schilling, London, in die Sammlung.
Johann Friedrich Overbeck
Italia und Germania
Overbeck zählte zu den jungen deutschen Künstlern, die kurz nach 1800 nach Rom wanderten, um der Kunst Raffaels besonders nahe zu sein. Sie lebten dort gemeinsam und wurden wegen ihrer Kleidung und gläubigen Haltung als „Nazarener“ verspottet. „Italia und Germania“ ist Overbecks erstes und programmatisches Meisterwerk dieser Richtung der deutschen Romantik. Das Gemälde befindet sich heute in der Neuen Pinakothek in München. In zahlreichen Studien bereitete er es vor. Der „Karton“ der SGSM ist genauso groß wie das Gemälde und diente – ganz im Sinne der Wiederbelebung der Maltechnik um 1500 – der Übertragung auf die Leinwand des Gemäldes. Dargestellt sind die Personifikationen der beiden Kunstnationen – im Sinne der Nazarener –, von denen – wie in der Renaissance – mit Raffael und Dürer eine Erneuerung der Malerei ausging. Damit steht „Italia und Germania“ für das Programm einer Erneuerung der Malerei nach 1800 aus der Tradition heraus.
Erworben aus dem Hamburger Kunsthandel mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung.

„Meisterzeichnung“
...ist heute ein feststehender Begriff, dessen Definition aber offen ist. Es sind Blätter historisch bedeutender Künstler, es können aber auch Zeichnungen sein, in denen ein Künstler die Summe seiner eigenen Möglichkeiten zieht.
Seitdem Zeichnungen gesammelt werden, seit dem 17. und besonders seit dem 18. Jahrhundert, war es das Ziel der Sammler charakteristische Gruppen von Werken eines Künstlers zusammenzutragen, aber eben auch einzelne Werke, die eine herausragende Stellung im Œuvre eines Künstlers zu erwerben. Der große Fundus der kurfürstlichen Sammlung und der Ergänzungen durch das Königshaus von Bayern im 19. Jahrhundert erlaubte es über die Jahrhunderte eine stattliche Reihe von heute weltweit berühmten Blättern zu definieren. Die Sammlungstätigkeit der staatlichen Institution SGSM zielt seit dem 20. Jahrhundert darauf, diesen Bestand in aller Breite und auch in die Gegenwart weiterzuentwickeln und dabei um weitere vergleichbar hochrangige Werke zu ergänzen. Stiftungen und Schenkungen sind hierbei nahezu der einzige Weg, besonders wertvolle Werke, zu erwerben.

Rembrandt
Frau im Bett mit einer Magd oder Amme
Rembrandts impulsive wie treffsichere Art zu Zeichnen wurde über die Jahrhunderte immer bewundert. Kurfürst Carl Theodor, der Gründer der heute in München befindlichen Sammlung, ließ eine große Zahl an niederländischen Zeichnungen zusammentragen, von den heute nur noch die wenigsten Rembrandt selbst zugeschrieben werden. Dank seiner Initiative zählt die niederländische Zeichnung mit Rembrandt und seinem Schülerkreis zu den bedeutenden Schwerpunkten der SGSM.
Das Bild einer mürrisch im Bett liegenden Frau, zu deren Füßen eine weitere Frau sitzt, ist mit wenigen Federstrichen angelegt und mit dem Pinsel anschließend plastisch und mit malerischem Hell-Dunkel erweitert, wie dies nur Rembrandt vermochte. Spontanität und Treffsicherheit zeigen ihn hier auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Die Intimität der Szene gab immer Anlass zu Spekulationen, zum Beispiel dass der Künstler hier eine familiäre Szene mit seiner jung verstorbenen ersten Frau Saskia van Uylenburgh dargestellt hat.
Anselm Feuerbach
Drei reitende Amazonen
Anselm Feuerbach war zu Lebzeiten ein gefeierter Maler und als Professor der Wiener Kunstakademie prägte er eine Generation von Schülern. Weniger bekannt ist heute, dass er mit seiner Zeichentechnik – unterschiedliche Kreiden auf farbigem Papier – einen Stil geprägt hat, der in der Kunst der Jahrhutwende von 1900 seine Blüte erlebte. Die Technik erlaubt kaum Korrekturen und Feuerbach war in der Lage die Kompositionen, die er für seine Gemälde plante, mit freier Hand aufs Papier zu setzen.
Dank einer Schenkung von König Ludwig II. von Bayern an die SGSM befand sich schon früh ein bedeutender Bestand an Zeichnungen Feuerbachs in München, der auch die Studenten der Münchner Kunstakademie beeindruckte. Eine aufwendige Publikation des Hanfstaengl-Verlags machte diesen Bestand einem breiten Publikum zugänglich.


Georges Seurat
Mann an der Seine-Brüstung vor dem Invalidendom
Seurat ist als Maler und Begründer einer neuen Farbauffassung, dem Divisionismus, bekannt, bei der es ihm darum ging, nach dem Impressionismus eine neue, noch mehr dem menschlichen Sehen entsprechende Wirkung der Farben zu erreichen. Er trug dafür die Farbe in unzähligen kleinen Punkten auf, die sich erst im Auge des Betrachters vermischen. In seinen Zeichnungen ging er einen ganz anderen Weg. Er arbeitete ohne fest gesetzte Linien nur mit feinen Schraffuren der besonders schwarzen, französischen Conté-Kreide, die er jedoch so auftrug, dass die aneinanderstoßenden Flächen Konturen entstehen lassen. So atmen seine Zeichnungen eine einmalige Stille, Konzentration und Tiefe, wie sie kein Künstler vor oder nach ihm erreicht hat.
Die Zeichnungen Seurats sind auf Grund des frühen Todes des Malers rar und seit vielen Jahrzehnten weltweit begehrt. Es musste daher immer ein Traum bleiben, eines dieser für die Zeichenkunst des 19. Jahrhunderts und der Moderne so bedeutenden Werke zur Abrundung der Münchner Sammlung zu gewinnen. Dieser Traum ging überraschend in Erfüllung, als die Art Mentor Foundation Lucerne sensationeller Weise gleich zwei Zeichnungen Seurats aus der ehemaligen Sammlung der Kunstmäzene Christof und Ursula Engelhorn nach München schenkte.