Rabindranath Tagore
Kopf
Der erste indische Nobelpreisträger für Literatur (1913), Rabindranath Tagore, war auch als Maler und Zeichner tätig. Im Europa der 1920er Jahre war er ein hoch geschätzter Intellektueller und Künstler, während er heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Der schwebende Kopf ist eher eine Maske, als das Gesicht eines lebendigen Gegenübers. Tagores Zeichnungen strahlen etwas aus, das man in Europa als typische fernöstliche Ruhe verstand, dem etwas Geheimnisvolles anhaftet.
Wolf Huber
Männerkopf im Profil nach links
Das Profilbild galt in der Antike als vornehmste Form des Portraits eines Individuums. Wolf Huber, ein Passauer Künstler der frühen Renaissance, in der man sich gerne auf antike Vorbilder bezog, zeichnete diesen unbekannten Mann jedoch als ein Beispiel aus einer Reihe von „Charakterköpfen“. Diese Studien unterschiedlicher Gemütszustände und Typen dienten als Motivvorrat für seine Werkstatt. Was uns also als lebensvolle, eindringliche Studie eines konkreten Menschen erscheint, ist doch ein Typus.
Thomas Theodor Heine
Olaf Gulbransson
Die Karikatur ist eine Nische der Portraitzeichnung, in der es um die Übertreibung charakteristischen Züge einer individuellen Erscheinung geht. Hier karikiert ein Karikaturist einen Kollegen. Beide arbeiteten zu dieser Zeit bereits für die Münchner Satirezeitschrift „Simplicissimus“. Gnadenlos reduziert Heine den aus Norwegen stammenden Gulbransson mit seinem kahlen Schädel auf seine an einen Seehund erinnernde Physiognomie. Da Gulbransson sich immer wieder selbst mit viel Selbstironie darstellte, dürfte ihn diese Übertreibung nicht erschüttert haben.
Fra Bartolomeo
Selbstportrait
Der alte Mann schaut den Bertachter scheinbar wissend an, so dass wir das Gefühl bekommen, direkt mit ihm in Kontakt zu treten. Es ist kaum zu glauben, dass zwischen ihm und uns fünf Jahrhunderte liegen. Obwohl der malende Mönch Fra Bartolomeo nicht alt wurde, nimmt man heute an, dass er sich hier selbst darstellte. Allerdings galt man mit 40 Jahren in dieser Zeit auch schon als alt und vom Leben gezeichnet.
Marie Ellenrieder
Mädchenporträt
Marie Ellenrieder zählt zu den wenigen Frauen, die in ihrer Zeit Malerei studieren durften und den Beruf sogar erfolgreich ausüben konnten. Sie war auf Portraits und religiöse Bilder spezialisiert. Wen sie hier darstellte, ist nicht überliefert. Aber der in die Ferne und doch zugleich melancholisch nach Innen gerichtete Blick gibt der Dargestellten eine geheimnisvolle Individualität. So wirkt das junge Mädchen gar nicht wie aus einem fernen Jahrhundert, sondern uns sehr nahe.
Hans von Marées
Selbstbildnis
Der Maler Hans von Marées, für den die Zeichnung ein unerlässlicher Teil seiner Kunst war, stellt sich hier als ein Herr und nicht als Maler bei der Arbeit dar. Gerne verwendete er den Rötelstift, eine natürliche Kreide, die einen weichen, sehr malerisch wirkenden Abrieb auf dem Papier erzeugt. Die Zeichnung bereitet eine Gemälde vor, das er im gleichen Jahr ausführte.
Jacob Matham
Federkunststück mit Studienköpfen
Der Niederländer Matham zeigt hier ein Kunststück, mit dem er die Feinheit seiner Federzeichnung zelebriert. Er war für seine Kupferstiche berühmt und er verwendet hier die gleiche Linientechnik der Schraffuren. Die Köpfe, die für die Lebensalter stehen, sollten dabei individuell-charakteristisch wirken und sind doch nur Typen.
Jacopo Robusti, gen. Tintoretto
Kopf des sogenannten Vitellius
Der Kopf wirkt voller Leben und im Moment einer Bewegung studiert. Beim zweiten Blick irritieren jedoch die leeren Pupillen. Tintoretto zeichnete einen antiken Kopf nach einem Abguss, den er in seinem Atelier stehen hatte. Dank der Lichtführung und seiner Zeichentechnik vermag er es jedoch das tote Stück Gips mit Leben zu erfüllen.
Martin Schongauer
Brustbild einer Orientalin mit Turban
Selbstbewusst blickt die junge Frau aus dem Bild. Und so hat sie Martin Schongauer, der meisterhafte Maler der Spätgotik am Oberrhein, wohl auch nach dem lebenden Modell studiert. Doch in der antikisierenden Tracht und mit dem Turban ist sie wohl eine Studie für eine allegorische oder biblische Figur, steht also doch wieder für einen Typus.
Edouard Manet
Weiblicher Studienkopf
Edouard Manet, einer der Begründer des französischen Impressionismus, skizzierte hier eine elegante junge Dame scheinbar im Vorübergehen. Das großstädtische Leben in Paris und seine flüchtigen Momente wurde durch Künstler wie Manet zum Gegenstand der Kunst. Die Pinselzeichnung erlaubte es ihm, ein Hell-Dunkel anzulegen, das eine malerische Wirkung vermittelt.
Ernst Ludwig Kirchner
Frauenkopf
Kirchner hatte bereits jahrelang das schnelle Skizzieren geübt, als er dieses Portrait mit impulsiven Schraffuren ebenso vehement wie sicher aufs Papier setzte. In der Vereinfachung der Konturlinien und Schraffuren wie auch in der Geschwindigkeit des Notierens ist das Blatt ein typisches Beispiel für den deutschen Expressionismus.
Albrecht Dürer
Bildnis des Kaspar Nützel
Albrecht Dürer war nicht nur ein außergewöhnlicher Graphiker seiner Zeit, sondern auch einer der berühmtesten Portraitmaler. Lange war unklar, wen er hier dargestellt hat. Durch Vergleiche mit einer anderen, beschrifteten Portraitzeichnung konnte der Nürnberger Patrizier und Rat der Stadt, Kaspar Nützel (1471–1529) identifiziert werden. Dürer war mit ihm befreundet und hielt sich mit ihm in diplomatischer Mission 1517 in Augsburg auf, wo die Zeichnung entstand, wie das Wasserzeichen im Papier – ein Pinienzapfen – zeigt.
Niederländisch/Flämisch
Kopf eines älteren Mannes
Weder der Künstler noch der Dargestellte sind heute noch bekannt. Stilistisch ist das Blatt jedoch einzuordnen und zu datieren und steht damit am Beginn der Neuzeit, als die Künstler anfingen das einzelne Individuum zu charakterisieren und die Besonderheiten seiner Physiognomie festzuhalten.
Carl Philipp Fohr
Mädchenkopf
Fohr zählte zu den deutschen Künstlern, die am Beginn ihrer Laufbahn nach Rom reisten. Er schloss sich dem Freundeskreis der so genannten Nazarener an. Obwohl er ganz jung und tragisch verstarb, er ertrank beim Schwimmen im Tiber, hinterließ er ein reiches zeichnerisches Werk, das sich in den sorgfältiger durchgearbeiteten Blättern durch einen sachlich-präzisen Strich auszeichnet. Hier studierte er mit spitzestem Bleistift eine junge Römerin, deren Haartracht und Kopfputz ihn ebenso faszinierten wie die ebenmäßig schönen Züge, deren Name jedoch nicht überliefert ist.
Johann Friedrich Overbeck
Vittoria Caldoni
Vittoria Caldoni, eine Bauerstochter aus der Gegend von Rom, war ein beliebtes Modell im Kreise der jungen deutschen Künstler, die in den 1810er und 1820er Jahren nach Italien kamen, um die Kunst der Renaissance zu studieren. Overbeck verwendete ihre Gestalt nicht nur in einer Reihe seiner religiösen Bilder, er widmet ihr auch ein Portraitgemälde, das König Ludwig I. von Bayern erwarb und das sich heute in der Neuen Pinakothek in München befindet.