THOMAS SCHEIBITZ
A TRIBUTE TO HERMANN GLÖCKNER
09.10.2025 – 11.01.2026

Atelieransicht 2025 © Foto: Thomas Scheibitz Atelier

Zweifellos zählt der Maler und Bildhauer Thomas Scheibitz (*1968) zu den Schlüsselfiguren seiner Generation. Seit seinem künstlerischen Beitrag für den deutschen Pavillon 2005 auf der 51. Biennale in Venedig, mit dem er die Aufmerksamkeit des internationalen Publikums auf sich zog, gehört er zu den Künstlern, die immer wieder aufs Neue mit ihrem vielschichtigen Werk überraschen.

Thomas Scheibitzʾ künstlerische Handschrift besticht durch eine genuine ikonographische Bildsprache, die zwischen den beiden großen Themen Abstraktion und Figuration oszilliert. Er verschränkt Architekturzitate sowie Facetten von Landschaftsprospekten mit Elementen aus der zeitgenössischen Medienwelt, der Werbung und nicht zuletzt der Alltagskultur. Gezielt widersetzen sich seine dynamischen Bildwelten einer statischen Ordnung. Vielmehr scheinen sie sich fortwährend neu zu organisieren und einen Abgleich mit unserer Lebenswirklichkeit zu motivieren, was der Künstler durch visuelle Schlüsselreize herausfordert.

Dass Scheibitz sich nicht scheut, mit Meistern der Klassischen Moderne in ein künstlerisches Zwiegespräch zu treten, hat er bereits 2019 mit der beeindruckenden Ausstellung Pablo Picasso x Thomas Scheibitz. Zeichen Bühne Lexikon im Berliner Museum Berggruen bewiesen. Hier setzte er seine Bildwelten in Dialog zu einzelnen Werken Picassos, der überraschende Korrespondenzen und im Zusammenspiel neue Sichtweisen auf die Arbeit beider Künstler ergab.

Für sein Debüt in der Pinakothek der Moderne wird Thomas Scheibitz für die Ausstellungsräume der Staatlichen Graphischen Sammlung München ein malerisches und bildhauerisches Gesamtkunstwerk schaffen, das sich in drei Phasen vom Foyer, über den Vitrinengang bis hin zu den Ausstellungsräumen dem plastischen und zeichnerischen Werk des Dresdner Künstlers Hermann Glöckner (1889–1987) widmet. Sein künstlerischer Dialog wird sich fortschreitend entwickeln, vernetzen und schlussendlich zu einer kongenialen Hommage steigern. Schon während seiner Zeit an der Dresdner Akademie hat Scheibitz den Artists‘ Artist Hermann Glöckner, einen Geheimtipp unter Künstlern, schätzen gelernt. Nie aber hätte er in Erwägung gezogen, seine eigenen Werke in einen künstlerischen Dialog mit dem Meister der leisen Töne zu setzen. Beeindruckend ist, wie Thomas Scheibitz in seinem Münchner Ausstellungsprojekt als Künstler und Kurator zugleich tätig ist. Es spricht für sein Einfühlungsvermögen, wenn er sein Werk als Katalysator nutzt, um die feingeistige Noblesse dieses Altmeisters spielerisch leicht in Szene zu setzen und Hermann Glöckner einmal mehr überraschend zeitgenössisch erscheinen zu lassen.

Seit nahezu einem Jahrzehnt hat die Staatliche Graphische Sammlung München einen herausragenden Werkbestand graphischer Arbeiten Hermann Glöckners mit Expertise zusammengetragen, die im nationalen Vergleich ihres Gleichen sucht. Zweifellos gehört Glöckner zu einer kleinen Gruppe ostdeutscher Künstler der Klassischen Moderne und der verlorenen Generation zwischen den Weltkriegen, die erst nach dem Mauerfall ins gesamtdeutsche Blickfeld der Kuratoren und Museen geraten ist. Mit der Ausstellung Hermann Glöckner. Ein Meister der Moderne hat die Staatliche Graphische Sammlung München bereits 2019 in einem avantgardistischen Ausstellungsdisplay Glöckners singuläres Tafelwerk einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.

Hermann Glöckner, Hofewiese (Fachwerk-Scheune), 1932, Bleistift, 200 x 267 mm, Staatliche Graphische Sammlung München, München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Thomas Scheibitz, Sockel 14, 2025, Mdf, Holz farbig gefasst, 104 x 71 x 71 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2025 / Courtesy of the Artist und Sprüth Magers

Mit dem Ausstellungsprojekt Thomas Scheibitz – A Tribute to Hermann Glöckner geht die Sammlung jetzt noch einen Schritt weiter. Nach einer zurückliegenden umfangreichen Schenkung von Entwurfszeichnungen für bauplastische Arbeiten von Hermann Glöckner wird Scheibitz nicht nur aus diesem jüngsten Bestandszuwachs der Sammlung auswählen und ihn in sein dreidimensionales Raumkunstwerk integrieren. Vielmehr wurden plastische Hauptwerke aus renommierten deutschen Museen und Privatsammlungen entliehen, die durch Thomas Scheibitz den Stellenwert dieses Künstlers der Klassischen Moderne auf einer raumplastischen Bühne in ein neues Licht rücken.

Damit verspricht die jüngste Ausstellung des Münchner Museums eine ganz neue Weise der dialogischen Präsentation, die eine sinnliche und ästhetische Form des Erkenntnisgewinns bereithält, wie man sie für Hermann Glöckners Werk noch nicht erlebt hat.

Nicht zuletzt markiert die Ausstellung Thomas Scheibitz – A Tribute to Hermann Glöckner den Abschluss eines mehrjährigen Forschungsprojekts an der Staatlichen Graphischen Sammlung München zu Hermann Glöckners plastischen Arbeiten, das von einem kritischen Werkverzeichnis gekrönt wird. Die wissenschaftliche Bearbeitung durch Konstanze Rudert wurde von der Ernst von Siemens Kunststiftung großzügig gefördert. Bereits in den 1970er-Jahren begann Werner Schmidt (1930–2010) vom Dresdner Kupferstich-Kabinett gemeinsam mit Hermann Glöckner dessen umfangreiches Œuvre für ein Werkverzeichnis zu erfassen. Das Projekt wurde jetzt auf Initiative von Michael Hering, dem Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München, wieder aufgenommen. Mehr als 600 plastische Werke konnten inzwischen verzeichnet werden, die in einem repräsentativen Katalog vorgestellt werden, der parallel zur Ausstellung erscheint.

Michael Hering

Direktor                                  

Staatliche Graphische Sammlung München

Hermann Glöckner, o. T. (Landschaft im Erzgebirge), 1929, Bleistift und Aquarell, 249 x 323 mm, Staatliche Graphische Sammlung München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Thomas Scheibitz, Entwurf Landschaft, 2025, Öl, Vinyl, Pigmentmarker und Mischtechnik auf Leinwand, 135 x 270 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2025 / Courtesy of the Artist und Sprüth Magers

Painter and sculptor Thomas Scheibitz (*1968) doubtlessly is one of the key figures of his generation. His contribution to the German pavilion at the 51st Venice Biennial attracted attention internationally. Ever since he is known as an artist to surprise his audience with his multi-facetted oeuvre. 

Thomas Scheibitz’s artistic signature style is a genuinely iconographic oscillating between the two large themes of abstraction and figuration. He joins architectural references and facets of landscape prospects with elements from contemporary press coverage, advertising, and, not least of all, everyday culture. His dynamic images directly undercut any static order. In fact, they constantly seem to re-organize and to trigger comparison with our daily lives. He achieves this by challenging us with visual key stimuli.

Scheibitz is not afraid to enter a dialog with the masters of Modernism, as he proved in the remarkable 2019 exhibition Pablo Picasso x Thomas Scheibitz. Sign Scene Lexicon at Berlin’s Museum Berggruen. Here, he juxtaposed his pictorial worlds with particular works by Picasso. This lead to surprising correspondences and to new insights into both oeuvres.

For his debut at Pinakothek der Moderne, Thomas Scheibitz created a painterly and sculptural Gesamtkunstwerk in the exhibition galleries of the Staatliche Graphische Sammlung München. In three phases stretching from the foyer, to the hallway lined by vitrines, and on to the galleries it is devoted to the sculptures and drawings by Dresden artist Hermann Glöckner (1889–1987). His artistic colloquy evolves, connects, and eventually culminates in an ingenious homage. As early as his student days at Dresden art academy, Scheibitz treasured the artists’ artist Hermann Glöckner. However, the younger artist would never have considered placing his own work on equal par with that of the master of subtlety. Therefore, it is all the more impressive that Thomas Scheibitz functions, in his Munich exhibition, as both artist and curator. It attests to his intuition that he uses his own works as a catalyst for light-handedly preparing a stage for Glöckner’s refined noblesse and for making the older artist appear to us, once again, as surprisingly contemporary.

Thomas Scheibitz, Geometrie, 2025, Aluminium poliert, montiert, 123 x 145 x 10 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2025 / Courtesy of the Artist und Sprüth Magers
Thomas Scheibitz, Monogramm für Hermann Glöckner, 2025, Vinyl, Acryl und Pigmentmarker auf Leinwand, 62 x 38 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2025 / Courtesy of the Artist und Sprüth Magers

For nearly a decade now and with great expertise, the Staatliche Graphische Sammlung München has been collecting a superb group of works on paper by Hermann Glöckner, to which there is no equal in Germany. Undoubtebly, Glöckner is one of a small group of East German artists of Modernism and the inter-war lost generation of whom curators and museums took only notice after the fall of the wall. In its exhibition Hermann Glöckner. A Master of Modernism, Staatliche Graphische Sammlung München in 2019 first introduced Glöckner’s singular Tafelwerk (a central body of work) by way of an avant-garde presentation to a wider public.

In our current exhibition, Thomas Scheibitz – A Tribute to Hermann Glöckner, the museum goes one step further. After having received a large donation of designs for architectural reliefs by Hermann Glöckner, Scheibitz has selected works not only from this recent acquisition. Facilitated by Glöckner loans from German museums and private collections, Scheibitz will moreover make visible, in a sculptural mis-en-scene designed by himself, Glöckner’s rank as a Modernist. This latest exhibition at the Munich museum offers an entirely new form of dialogical presentation that provides a sensual as well as an aesthetic kind of experience of Glöckner’s work.

Finally, our exhibition Thomas Scheibitz – A Tribute to Hermann Glöckner marks the end of a multi-annual research project on Hermann Glöckner’s sculpture by the Staatliche Graphische Sammlung München that will culminate in a critical catalogue raisonné. Ernst von Siemens Kunststiftung generously funded the scholarly research of Konstanze Rudert. As early as in the 1970s, Werner Schmidt (1930–2010) of Dresden’s Kupferstich-Kabinett together with Hermann Glöckner had started to put together a complete catalogue raisonné. Picking up where they left off, Michael Hering, director of the Staatliche Graphische Sammlung München, now resumed their initiative. It culminated in a list of more than 600 sculptures. A selection will be available in a handsome representative catalog in the course of our exhibition.

Michael Hering

Director

Staatliche Graphische Sammlung München

Hermann Glöckner, Ensemble aus acht farbigen Baukörpern, 1977–80, Pappe, geschnitten, geleimt, unterschiedlich farbig gestrichen (Tempera), Installationsmaße variabel Anzahl der Baukörper ursprünglich variabel, Privatbesitz, Courtesy Florian Sundheimer © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
"Cafe" von Hermann Glöckner nach der Restaurierung, Aufnahme aus dem Restaurierungsatelier der Staatlichen Graphischen Sammlung München
Atelieransicht 2025 © Foto: Thomas Scheibitz Atelier

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