GESCHICHTE DES
FREUNDESKREISES
Otto Weigmann, Direktor der Sammlung von 1918 bis 1937, gründete die „Vereinigung der Freunde der Staatlichen Graphischen Sammlung München e.V.“ im Jahr 1925. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn aufgrund der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg war das Angebot auf dem Kunstmarkt so groß wie kaum je zuvor. Durch die Unterstützung des Freundeskreises gelangen bedeutende Ankäufe, beispielsweise Graphik von Lucas Cranach, Albrecht Dürer oder Hans Holbein d. J., deren Erwerb angesichts des begrenzten Ankaufsetats allein aus Staatsmitteln nie möglich gewesen wäre.
In den Anfangsjahren
Vor allem in den Anfangsjahren wuchs die Zahl der Freunde der Graphischen Sammlung stark an. 1930 zählte die Vereinigung bereits 95 Mitglieder, die in einer eigens herausgegebenen Schrift anlässlich ihres fünfjährigen Jubiläums namentlich genannt wurden. Diese Aufzählung, die an ein Who’s Who der Münchner Gesellschaft zwischen den Weltkriegen erinnert, verzeichnet Kunsthändler und Antiquare wie Günther Franke, Hugo Helbing und Siegfried Lämmle, Verleger wie Edgar Hanfstaengl, Friedrich Oldenbourg und Reinhard Piper sowie eine Reihe von Künstlern, darunter Adolf Schinnerer und Emil Preetorius, um nur einige Namen zu nennen.
Schwere Zeiten
Nach den prosperierenden Anfangsjahren bedeutete das Jahr 1933 die folgenschwerste Zäsur in der Geschichte des Freundeskreises. Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten vollzog Weigmann die „Gleichschaltung des Freundeskreises im Sinne autoritärer Führung“, wodurch er de facto die alleinige Entscheidungsvollmacht über sämtliche Belange der Vereinigung ergriff. Die sich zuspitzende politische Lage führte zu zahlreichen Austritten und zwang Mitglieder zur Emigration, bis der Freundeskreis 1937 schließlich nur noch aus 32 Personen bestand. Die bis zu diesem Jahr erhaltenen Protokolle der Mitgliederversammlungen benennen die Ausscheidenden zum Teil namentlich. Sie sind ein beredtes Zeugnis für den Anteil, den die jüdischen Münchner am kulturellen Leben der Stadt hatten, bevor sie durch das NS-Regime entrechtet und verfolgt wurden.
DIE KRIEGSJAHRE
Über die Aktivitäten des Freundeskreises während der Kriegsjahre ist bekannt, dass Alfred Seyler (kommissarischer Leiter der Sammlung ab 1937 und ab 1940 Direktor) den Kontakt zu den Mitgliedern auch nach der Zerstörung der Sammlungsräume in der Neuen Pinakothek hielt und ab Mitte 1944 die Korrespondenz von seiner Gräfelfinger Privatwohnung aus führte. Zur geplanten Neugründung des Freundeskreises äußerte er sich in einem Brief vom 13.10.1946, mit dem er Geheimrat Alexander Kreuter erfolgreich zum Mitglied warb:
„Der im Jahre 1925 von meinem Amtsvorgänger, Prof. Otto Weigmann, gegründete Verein hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausbau der Graphischen Sammlung zu fördern und Kunstfreunde zu privater Sammeltätigkeit im Gebiete der Graphik und verwandter Gebiete anzuregen. Dieser Zweck soll erreicht werden durch Bereitstellung von Geldmitteln für die Graphische Sammlung, durch Anregung zu Schenkungen von graphischen Werken, die für die öffentliche Sammlung geeignet wären und anderen Zuwendungen; zugleich durch Ermöglichung einer regeren Benutzung der Graphischen Sammlung auch außerhalb der allgemeinen Besuchsstunden, durch regelmäßige
Zusammenkünfte der Gesellschaftsmitglieder zwecks Besichtigung ausgewählter Sammlungsgegenstände und Besprechung von Neuerscheinungen einschlägiger Art, durch Beratung in Fragen des praktischen Sammelns von graphischen Werken, ferner durch Sonderausstellungen, Führungen, Vorträge. Allerdings sind durch die Ungunst der Zeiten, durch den Krieg und die augenblickliche schwierige Übergangsperiode zum Frieden… verschiedene dieser Programmpunkte in den Hintergrund getreten. […] Die erworbenen Objekte gehen in den Besitz der Sammlung über, bleiben also nicht Eigentum des Vereins, der dadurch seinen gemeinnützigen Charakter dokumentiert. Vorsitzender ist der jeweilige Direktor… Normalerweise findet im Mai eine Mitgliederversammlung statt, zu der schriftlich aufgefordert wird und in der von uns Rechenschaft über Erwerbungen und Ausgaben abgelegt wird.“
Die Neugründung des Freundeskreises
Mit einer Versammlung am 24. November 1947 wurde die Neugründung des Freundeskreises eingeleitet. Der Vorstand konstituierte sich mit Alfred Seyler, dem Maler Adolf Schinnerer und dem Antiquar Helmut Domizlaff als Kassenwart. Am 5. Juli des darauf folgenden Jahres wurde die „Vereinigung der Freunde der Graphischen Sammlung München e.V.“ genehmigt. Seitdem organisiert der Freundeskreis Mittel für wissenschaftliche Projekte, für die Bibliothek der Sammlung und für Ausstellungskataloge.
Heute
Jährliche Studienreisen, Vorträge und Führungen durch die Ausstellungen der Graphischen Sammlung sind feste Bestandteile des Vereinslebens. Vor allem finanziert der Freundeskreis nach wie vor wichtige Ankäufe, denen die Ausstellung „Von Cranach bis Beckmann“ (1995) gewidmet war und die auch in der großen Schau zum 250-jährigen Sammlungsjubiläum (2008) eine eigene Abteilung erhielten. Seit dem Jahr 2001 wird für die Erwerbungen des Freundeskreises ein eigenes Inventar geführt, das erfreulich rasch anwächst.
Literatur
Tilman Falk, 70 Jahre Vereinigung der Freunde – Eine Bilanz, in: Von Cranach bis Beckmann. 70 Jahre „Vereinigung der Freunde“. Die schönsten Erwerbungen, Ausst.-Kat. SGS München 1995, S. 5–13
Michael Semff, Vereinigung der Freunde der Staatlichen Graphischen Sammlung e.V. (seit 1925), in: Künstler zeichnen – Sammler stiften. 250 Jahre Staatliche Graphische Sammlung München, hrsg. von Michael Semff und Kurt Zeitler, Bd.1, Ostfildern 2008, S. 291–313
Elisabeth Stürmer, Vereinigung der Freunde, in: Künstler zeichnen – Sammler stiften. 250 Jahre Staatliche Graphische Sammlung München, hrsg. von Michael Semff und Kurt Zeitler, Bd. 3, Ostfildern 2008, S. 113–115